Hilfe, wie umgehen mit schwierigen Patienten?

angelika stein-thelen kommunikation Umgang mit schwierigen Patienten

Die reale Not der vielen guten helfenden Hände im Gesundheitssystem

Letztens sprach ich mit einer menschlich-orientierte Krankenschwester. Es blieb mir im Gedächtnis, welches Statement sie zur vorherrschend mangelhaften Patientenzuwendung machte: “Ganz natürlich sind viele an den Grenzen des menschlich Machbaren im Alltag angekommen. Viele Kollegen sind ganz einfach froh, wenn der Arbeitstag rum ist. Viele werden in diesem Job nicht alt und wenn, dann haben sie körperlich echt zu kämpfen. Wir als Fachpersonal tragen aber selbst auch dazu bei, dass sich die Arbeitsbedingungen so verschlechtert haben. Man mag es kaum glauben, aber der Schmerz über die Umstände ist immer noch nicht groß genug: Streiken bedeutet sich selbst zu engagieren und das tun die wenigsten; nicht aus Angst, sondern aus Müdigkeit,” ergänzt sie nachdenklich.

Ein Plädoyer für die Guten im Gesundheitssystem

Nach eineinhalb Jahren als betroffene Angehörige eines kranken Familienmitgliedes, der von 12 Monaten letztendlich 10 Monate stationär behandelt wurde, kann auch ich von persönlichen Erfahrungen sprechen, wie sich die ständigen Kürzungen im Gesundheitswesen auf Leib und Seele auswirken. Was mein Mann erlebt hat, dass steht nochmals auf einem ganz anderen Blatt: Folgen einer unsachgemäßen Behandlung bis hin zur falschen Medikamentenvergabe. Hier sein Blogbeitrag.

Nach 18 Monaten hat uns der Alltag fast wieder eingeholt, aber ich möchte nicht vergessen, was Menschen im Gesundheitswesen immer wieder aufs Neue jeden Tag leisten. Der Patient – ist besten Falls – aus dem Krankenhaus entlassen, sie aber stehen nach wie vor in den gegebenen oftmals schwierigen Umständen.

Die meisten dieser guten Lastenträger im Gesundheitswesen erhalten keine angemessene finanzielle Entschädigung für ihre täglichen Leistungen.

Meine Würdigung gilt ihren außerordentlichen Leistungen, wenn sie es denn schaffen, Patienten wie Menschen zu behandeln. Dies hat meinen höchsten Respekt.

Das How-to der gute Kommunikation im Umgang mit Patienten

Das Leben bietet uns immer wieder große Lernfelder an. Fast ironisch: Unser erstes gemeinsames Training fand in einer großen Praxis in einem Krankenhaus statt. Das Thema:  „Umgang mit schwierigen Patienten“. Manchmal spricht das Leben für sich …

Dieses erste Training zum Wiedereinstieg, nach der langen Krankheitsphase, war eine wirklich erfrischende Erfahrung für uns Trainer. Meine ganz persönlichen Erlebnisse mit dem Patienten, als Angehörige und mit den verschiedenen Mitarbeitern im Gesundheitswesen kommen nun den Teilnehmern zu gute. Wir sind zu Sparringspartnern geworden, die auf Basis der vielen Gespräche und Auseinandersetzungen mit Blick aus der jeweiligen Perspektive agieren. Wir erkennen aus eigener Erfahrung deutlich den individuellen Schmerz und können die Herausforderungen im Alltag nachvollziehen.

Das Training erfüllt drei Kernbedürfnisse:

  • Mitarbeiter wünschen sich eine ganz praktische Anleitung im Umgang mit schwierigen Patienten
    Die Anforderungen an die Mitarbeiter sind in den letzten Jahren gewachsen. Fortbildungen für variantenreichere Kommunikationsverhalten und die Auswahl an Handlungsoptionen und -strategien, die sich konkret auf die gegebenen Umstände des einzelnen Mitarbeiters beziehen, werden mehr denn je von den Mitarbeitern selbst in den Personalabteilungen angefragt.
  • Ökonomisch: Das schärfste Unterscheidungskriterium am Gesundheitsmarkt ist die Patienten-Zufriedenheit
    Ja, im Gesundheitswesen sind die Ressourcen sehr knapp. Trotzdem oder gerade ist die persönliche Weiterempfehlung von Patient zu Patient sehr profitabel. Oftmals ist für den einzelnen Patienten das Unterscheidungskriterium “Welche Aussagen treffen andere Patienten über die Qualität der Betreuung” zielführend.
    Auf den Internetdarstellungen von Krankenhäusern oder Arztpraxen wird oft das wichtigste Unternehmensziel angepriesen: Der Patient steht im Mittelpunkt.
    Seine Zufriedenheit mit der Betreuung erscheint als oberstes Ziel. Doch auf Nachhaltigkeit geprüft: Wie viele Patienten würden eine positive Empfehlung nach ihrem persönlichen Aufenthalt in der Einrichtung abgeben?
    Medizinische Leistungen sind generell leichter vergleichbar, aber dem Patienten nicht alleine wichtig.
  • Defizite ausgleichen: Grundlagen gut funktionierender Kommunikation gerade für Berufs- oder Quereinsteiger im Gesundheitswesen
    Gerade die Berufs- oder Quereinsteiger brauchen hier Unterstützung. Diese Grundlagen guter Kommunikation werden nicht an der (Fach-)Schule oder im Studium vermittelt, sind aber heutzutage eine wichtiges Handwerkszeug für einen gelingenden Praxisablauf und damit eines guten Arbeitsklimas.

Unsere persönliche Motivation ist es ein umfassenderes Verständnis zu schaffen: Von der nur allzu leicht aus Überforderung entstehenden Konfrontation zur gekonnten Kooperation

Krankenhausaufenthalte können für Patienten und Angehörige zu einer durch und durch existentiellen Erfahrung werden 

Auf unserem Weg durch Arztpraxen und Krankenhäuser sind uns die unterschiedlichsten Menschen begegnet. Oftmals haben sich Menschen in diesem speziellen Umfeld völlig unzugänglich verhalten. Der zu Grunde liegende Verständnisrahmen stimmte ganz und gar nicht überein. Damit ich auf jeden Fall richtig verstanden werde: Es gab auch sehr tolle und zugewandte Ärzte, Schwester, Pfleger und Mitarbeiter im Sozialdienst; sie waren aber leider viel zu selten.

Betrachte ich heute rückblickend die Situation als Kommunikationsexpertin wird mir folgendes Bild sehr plastisch: Gefühlt waren alle Beteiligten oft hoffnungslos überfordert. Überforderte Patienten, überforderte Angehörige und überforderte Mitarbeiter im Gesundheitswesen ergibt eine tragische bis hin dramatische Ist-Situation. Und es entsteht eine bleierne Atmosphäre zwischen dem Patienten, die das Gesunden nicht gerade unterstützt, sondern im Gegenteil – noch mehr Krankheiten ermöglicht.

Dass ich Tag und Nacht für meinen Mann zur Stelle sein konnte, hat auch mich finanziell meine persönlichen Reserven gekostet. Privat oder gesetzlich versichert ist dabei völlig egal. Als Ehepaar haben wir die Zukunftsplanung mit einer chronischen Krankheit zu leben ohne die Hilfe eines funktionierenden Sozialstaates zu bewältigen. Hilfe gibt es erst dann, wenn wirklich alle Ressourcen aufgebraucht sind. Die Tatsache, dass die chronische Krankheit vor 30 Jahren ausbrach, hat das Fundament gegeben, dass keine Zusatz- oder Pflegeversicherung greift. Das Motto: “Der Mensch ist ja schon krank. Das versichern wir – natürlich – nicht. ”

Dass ich als Lebenspartner freiberuflich unterwegs bin, hat dem System so manche Pflege- und Betreuungskosten erspart. Dass wir weltweit gesehen ein sehr gutes Gesundheitssystem haben, möchte ich hier erst gar nicht näher betrachten. Nur soviel: Nach diesem Jahr der vielschichtigen Erfahrungen sei die Frage erlaubt: Wie schlimm muss es noch werden, bevor wir es auch so nennen können.

Ja, es stimmt: Das Gesundheitssystem ist dabei seinen Rest an Menschlichkeit zu verlieren und an manchen Tagen gab es so gar keine Portion an Zuwendung. Eher war es umgekehrt: Wir waren oftmals in der Situation, die Mitarbeiter im Krankenhaus bei Laune zu halten.

Zurüstung und Ermutigung für Mitarbeiter im Gesundheitswesen 

Als einzelne kann ich zwar keine großen Umwälzungen im Gesundheitssystem leisten, aber ich kann im Bereich der menschlichen Kommunikation initiieren, dass die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, Zurüstung und Ermutigung durch unsere Trainings erfahren:

  • Vorzeigen, dass selbst unter Zeitdruck ein schwieriger Patient in seinen Beweggründen verstanden und auf der menschlichen Ebene abgeholt werden kann
  • Dabei die eigene Unzulänglichkeit, Angst oder Überforderung erkennen und sich bewusst für mögliche bessere Handlungs- und Lösungsansätze entscheiden
  • Das Erlernte ganz pragmatisch und praktisch in Übungen umsetzen
  • Die persönliche Überprüfung der eigenen Handlungsveränderung anhand einer Videoaufzeichnung aus der vorangegangenen Übung nachvollziehen
  • Vielfältiges Feedback von den anderen Teilnehmern aus der Gruppe und natürlich von uns als Kommunikations-Trainern

Das ist definitiv eine geballte und intensive Zurüstung. Die Referenz aus dem letzten Training im Kompetenzzentrum für Radiologie und Nuklearmedizin Boos-Moog zeigt, dass nicht nur wir als Trainer ermutigt waren, sondern auch die Teilnehmer, die gleich die neu gewonnenen Erkenntnisse im Alltag einsetzten. Die erfrischenden Teilnehmerstimmen nach dem letzten Training, zeigen mir, dass es die richtige Richtung ist.

Was für ein erfüllendes Arbeiten.

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